Ford Bronco Badlands: Hardcore Vibes
Alltagsfahrzeug ist der Ford Bronco Badlands keines. Außer der Alltag führt einen Hügel hinauf. Dann stimmt alles, außer sein Preis.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder | Mit freundlicher Unterstützung von Erdbau Karner
Wo soll ich anfangen? 4,81 Meter amerikanischer Hillbilly-Traum rollen vor mir aus der Ford-Garage, mit Wiener Kennzeichen und wuchtigen All Terrain Reifen drauf. Man muss schon ein gefestigter Charakter sein, um bei diesem Anblick nicht zu erröten – wissend, dass der Weg ins Büro durch das Stadtzentrum führt. Das wird eng, und sie werden mich hassen. Der Ford Bronco Badlands verweigert das durchschnittliche mitteleuropäische Verkehrsszenario mit jeder Faser seines Seins, und ganz besonders jenes einer Großstadt, die sich höchstens mit Hügeln umgibt. Es ist, als würde man im Klettergeschirr das Cobenzl am Kahlenberg besteigen, seine Würstel in der Küche mit dem Flammenwerfer grillen. Völlig überzogen. Mit Anlauf an jeder Realität vorbei.
Dass der Ford Bronco im Erstkontakt jenseitig wirkt, liegt einerseits an seinem Preis (dazu kommen wir am Schluss), und andererseits an seiner Kompromisslosigkeit. Der Bronco ist Hardcore, ganz besonders in der Badlands-Variante. Das betrifft seine Qualitäten als Geländefahrzeug, seine Interpretation von Geräuschkomfort, sein konsequentes Bemühen, falsch angezogen zu sein – you name it. Das Spektakel, das man üblicherweise Fortbewegung nennt, beginnt im Ford Bronco mit dem Anwerfen des 335 PS starken 2,7 Liter EcoBoost V6 (7,2 Sekunden auf Hundert, trotz All Terrain Reifen), führt über das Einlegen des Drive-Gangs, der nicht in das Getriebe gleitet, sondern hineingeschossen wird, dass das ganze Auto wackelt, und endet mit der Erkenntnis, dass man weite Strecken nie wieder mit mehr als 100 km/h fahren wird, außer man stülpt sich Ohrenschützer über den Kopf.
Typisch amerikanisch: Der Innenraum. Eher untypisch, sogar für Amerika: Das Dach kann man abnehmen, die Türen auch. Der Nachteil: Man hört es.
Kurz gesagt: Das Einsatzgebiet eines Ford Bronco ist so stark zugespitzt, dass man ihn nur aus zwei Gründen kaufen wird. Entweder, weil man ihn braucht. Oder, weil man ihn so geil findet, dass man all diese Begleitumstände wegzulächeln weiß. Sogar der Land Rover Defender hat sich 2020 aus dieser Nische entfernt, weil die meisten Menschen sich zwar gerne mit der Aura des Bedingungslosen umgeben, insgeheim aber doch ganz froh darüber sind, dass ihnen die Zugluft nicht im Auge brennt im geschlossenen Auto. Wer schon einmal Defender gefahren ist, den alten, der weiß, wovon ich spreche. Wer sich die Verkaufszahlen des Ineos Grenadier ansieht, der hat es schwarz auf weiß.
Wir müssen also gar nicht um den heißen Brei herumreden: Für die meisten Menschen ist der Ford Bronco keine Option. Das ist ein Fakt, und das weiß auch Ford selbst. Wenn wir aber die Welt an das Vehikel anpassen und nicht umgekehrt, uns also vorstellen, wir fahren durch den Wald und nicht durch die Stadt in das Büro, wir sind Förster oder Jäger oder Erdbauunternehmer, dann passt all das, was in der Zivilisation eine Entbehrung ist, schlagartig wie die Faust aufs Auge. Dort sind die per wasserdichten Gummiknöpfen aktivierbaren Möglichkeiten nicht lächerlich, sondern sinnvoll – die Untersetzung des 10-Gang-Getriebes, die sieben G.O.A.T.-Fahrmodi, die Differenzialsperren an Vorder- und Hinterachse, die großen Böschungswinkel, die All Terrain Reifen, der entkoppelbare Querstabilisator an der Vorderachse, und so weiter, und so fort.
Der Gelände-Weihnachtsbaum: Wenn alles leuchtet, sind zwei Sperren aktiviert, das vordere Stabi entkoppelt und das ESP deaktiviert. Am Stand umdrehen kann man dann auch.
Um dem Bronco Sinn zu geben, reicht freilich kein Feldweg, den auch ein Frontkratzer mit Anlauf bezwingt. Dafür braucht es echtes, mühsames, derbes Gelände. Den Steinbruch des Erdbauunternehmens Karner, zum Beispiel. Diesen dürfen wir als Fotolocation nutzen - als Spielwiese für den Bronco, die aus meterhohen Gatschrampen und steinigen Waldwege besteht. Empfangen werden wir von Florian, dem Inhaber der Firma. Er wurde quasi in den Geländewagen geboren - das Unternehmen ist ein Familienbetrieb, der Steinbruch sein zweites Wohnzimmer. Als Arbeitsgerät nutzt er einen alten Defender mit Geländereifen drauf, insofern ist sein „es is heut‘ a bisserl rutschig“ durchaus als Warnung zu verstehen. Vom Bronco ist er angetan, er wirft einen Blick unter das Auto und auf die Reifen: „Das passt schon so. Wenn’s hängen bleibt’s, rufst mich einfach an.“ Florian ist entspannt. Ich habe Bedenken.
Andererseits: Ford hat die Fahrmodi des Bronco nicht spaßhalber G.O.A.T. Modes genannt (Goes Over All Terrain), was auf Deutsch so viel bedeutet wie „fährt überall drüber“. Der Mud-Modus wird’s schon richten, notfalls der Bagger mit dem Abschlepphaken dran, also rein mit dem schlauen Geländeprogramm. Vorne und hinten klinken sich die Sperren ein, Fotograf Oliver und ich rollen vom Einfahrtsbereich langsam die ersten Höhenmeter hinauf. Eines fällt uns augenblicklich auf: Lenken geht mit den Sperren nicht mehr ganz so geschmeidig – man biegt eher schrittweise ab als eine runde Kurve zu fahren. Logisch, die Reifen drehen sich jetzt alle im gleichen Tempo, man will ja schließlich weiterkommen auch.
4H reicht für die Eiger Nordwand. 4L nimmt man, wenn's steil wird.
Nach dem flachen Einstiegsabschnitt geht es hinauf zur Ebene Eins – ein paar Erdhaufen hier, ein bisschen Schotter da, alles noch keine Herausforderung. Der Weg von Ebene eins zu Ebene zwei wird ein bisschen steiler, der Bronco ackert sich aber locker-lässig durch. Dann eine Abzweigung nach oben, nach ganz oben, zum höchsten Plateau - dort sollen unsere Bilder entstehen. Kurze Pause, schnelle Situationsanalyse: Der Weg ist nicht nur brutal steil, sondern auch vom Regen ausgewaschen – stimmt, rutschig, da war ja was – die „Fahrspuren“ hängen seitlich weg und tief sind sie auch. Ein SUV müsstest du spätestens jetzt in seine Einzelteile zerlegen und zur Straße hinuntertragen. Der Bronco lässt mir immer noch zweierlei Wahl: Entweder, ich gehe gleich auf Nummer sicher und spanne die Untersetzung ein. Dann kommt er da schon rauf, relativ langsam allerdings. Oder: Ich spanne die Untersetzung nicht ein, knipse dafür das ESP ins Aus, drücke den Schalthebel in die manuelle Gasse und halte drauf, bis der Dreck bei den Fenstern reinspritzt.
Wie man hier unschwer erkennen kann: Wir haben uns für die Variante Vollgas entschieden.
Mit dem Kärcher in der Hand ist mir wenig später klar: Die erste Option wäre die klügere gewesen. Nicht, weil der Bronco den Hügel nicht hinaufgekommen wäre (ist er natürlich). Auch nicht, weil es keinen Spaß gemacht hätte (hat es, sogar sehr viel). Es ist das Putzen, das ich im Rausch der Emotionen ausgeblendet habe. Wenn man den Dreck per Drehzahlbegrenzer in die Radkästen massiert, dann will der da so schnell nicht wieder raus. Immerhin habe ich so Zeit, meine Gedanken zu sortieren.
Finde ich den Bronco noch immer überzogen? Ist er noch immer maßlos und überall schlecht angezogen? In neun von zehn Fällen wäre er das. Hier ist er es nicht. Diese Auto vollbringt im Gelände Dinge, die viele Menschen mit Händen und Füßen nicht können – mit einer vollkommenen Gelassenheit gegenüber allem, was die Natur uns auftischen könnte. Sogar Offroad-Einsteiger werden mit dem Bronco glücklich - sie können auf Systeme wie den Trail Control Geländetempomaten zurückgreifen, der das Gasgeben und Bremsen bis zu einer Geschwindigkeit von 31 km/h selbstständig regelt. Oder auf den Trail One-Pedal-Drive Mode, mit dem er wie ein - Verzeihung - Elektroauto allein über das Gaspedal beschleunigt und gebremst werden kann. Ebenfalls cool: Der Trail Turn Assist, mit dem der Bronco quasi auf der Stelle umdreht. Insofern steht fest: Der Ford Bronco fährt wirklich überall drüber.
Ein Problem aber bleibt auch im Gelände: Der Preis. Weil das österreichische Finanzamt großmotorige, nicht Plug-In-hybridisierte Fahrzeuge per NoVA gnadenlos abstraft, kostet das hier abgebildete Exemplar 116.000 Euro. In Deutschland wären für den exakt gleichen Bronco 71.150 Euro zu überweisen, also rund 45.000 Euro weniger. Wir ersparen uns weitere Ausführungen - Beschwerden bitte an das Finanzamt übermitteln.
Was wir gut finden: Geländegängigkeit, 13,2 Liter Realverbrauch bei 13,8 Liter Werksangabe, Design, Hemdsärmeligkeit, Trail Turn Assist
Was wir nicht so gut finden: Den Preis und die Alltagsqualitäten (falls man nicht zufällig Erdbauunternehmer ist)
Man kauft ihn, weil: Man ihn braucht oder ihn extrem toll findet. In beiden Fällen ist finanzielle Gelassenheit nötig.
Ford Bronco Badlands (2024): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite
Testwagenpreis: € 116.000,00 brutto (Basispreis: € 115.000,00)
Bestellbar: Ab sofort. (Alle Infos)
Maximale Leistung: 246 kW / 335 PS
Drehmoment: 563 Nm
0-100 km/h: 7,2 sek.
Vmax: 161 km/h
Verbrauch (WLTP): 13,9 Liter/100 km
CO2-Emission: 285 Gramm/km
NoVA: 37 %
Leergewicht: 2.418 kg
Kofferraum: 873 - 1-804 Liter
Abmessungen Länge/Breite o.S./Höhe: 4.800/1.937/1.962
Nutzlast: 387 kg
Anhängelast gebremst/ungebremst: 1.000 kg/k.A.
Bodenfreiheit unbeladen: 261 mm
Böschungswinkel vorne/hinten: 41°/33°
Rampenwinkel: 24°
Watttiefe: 800 mm
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