Porsche Cayman GT4 RS: Zurück in die Zukunft
Die Wohlfühlzone des Porsche GT4 RS liegt zwischen 7.000 und 9.000 Umdrehungen. Darunter können ja die Hobbysportler spielen.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Porsche
Klären wir das Offensichtliche doch gleich zuerst: An einem Porsche Cayman GT4 RS kann man anecken. Nicht nur an seinem meterhohen Jausenbrett, an der Spoilerlippe oder dem Diffusor, sondern so ganz allgemein. Das setzt auch keinen ökologisch-integren Lebenswandel voraus. Es genügt, sich in dessen Wirkungssphäre zu befinden.
Es ist dem GT4 RS Fahrer beispielsweise problemlos möglich, von der Garage auf die Landstraße und direkt ins Kriminal durchzufliegen, ohne dafür den dritten Gang einzuspannen. Wenn der 500 PS starke Vierliter-Sechszylinder-Sauger bei 9.000 Umdrehungen in den Begrenzer schnattert, wird alles Umliegende einfach in die Horizontale geweht. Die Druckwelle wirkt noch bis in die Nachbarortschaft nach, so jenseitig ist die Geräuschkulisse.
Stimmen den Kammerton für das Porsche Orchester an: Lufteinlass und Auspuffanlage.
Prominent für den Moment
Im GT4 RS wird man angekündigt, immer und überall. Er sieht aus wie ein Rennwagen, er klingt wie ein Rennwagen, er fährt wie ein Rennwagen. Schleichen im Ortsgebiet, Anfahren im Stau – nicht seine Paradedisziplinen. Das Getriebe wehrt sich gegen Stop-and-Go-Unterforderung, das Fahrwerk gegen sanftes Anfedern, und auch alles andere ist entweder viel zu arg oder viel zu laut, um im Straßenverkehr unauffällig voranzukommen. Das muss das Ego verkraften können.
Wer einen GT4 RS gelegentlich durch die Zivilisation bewegt, tut gut daran, Empathie mitzuführen, um nicht früher oder später einzusitzen. Man sollte in der Lage sein, den inneren Konflikt, den dieses Fahrzeug zweifelsfrei mit sich bringt, im Sinne Aller auszuhandeln. Da ist einerseits die Saugmotor-Eskalation aus dem 911 GT3, das unsägliche, ohrenbetäubende Geschrei, das permanente Getreten-werden-wollen, das Funktionieren durch Beschleunigung. Und andererseits das Bewusstsein, dass dein optimaler Betriebszustand einem völlig wurscht ist als am Zebrastreifen wartender Social-Media-Konsument, der vom Titanauspuff schlagartig aus der Paralyse gerissen wird.
Eines lässt sich schlicht und einfach nicht leugnen: Man ist ein Störfaktor für den unbedarften Außenstehenden - das beginnt schon mit dem Anstarten. Wenn die Klappen im Kalten auf Durchzug stellen und das Kraftstoff-Luft-Gemisch zum ersten Mal aus den Rohren hustet, zuckt rings um einen alles zusammen. Die Gläser wackeln von den Kaffeehaustischen, die Seniorenrunde wirft erschrocken die Tarockkarten durch die Luft. Wer den Schanigarten nicht zum Tatort machen möchte, stellt den GT4 RS lieber um die Ecke - er käme aus der Nummer auch sicher nicht mehr raus. Man steht da wie gerade von der Nordschleife abgebogen und parkt in der argumentativen Einbahnstraße.
Ein Porsche GT4 RS am Meer: Immer noch ein Rennauto.
Egal
Über die Verfehlungen dieses Fahrzeugs ließe sich ein Essay abhandeln, das länger ist als dessen Aufpreisliste (ja, noch so eine Spitze, dazu kommen wir gleich), es würde aber nichts zur Sache tun. Wer gerne gute Autos fährt, wird den GT4 RS lieben, Punkt. Die Kombination aus Fahrwerk, Lenkung, Reifen, Bremsen, Motor und Getriebe – einfach alles an diesem Fahrzeug funktioniert derartig gut, dass man geneigt ist, Bergstraßen stundenlang rauf- und runterzuackern, nur um Bremspunkte, Einlenkpunkte und Schaltpunkte auszuloten. Oder, um sich mit kleinen Details einzuspielen, wie den letzten, von blechernem Gesäge angekündigten 200 Touren zum Beispiel, die bedeuten: Jetzt kannst du am Schaltpaddel anreißen, dann geht sich’s grad noch aus ohne Ratatatata.
Der Straßenverkehr ist zum Probieren freilich nur bedingt geeignet, obwohl man für Glückseligkeit nicht einmal zu schnell fahren muss. Man kann den GT4 RS locker durch das Hinterland rollen, mit den Gängen und dem Orchester aus dem Auspuff spielen, und zusehen, wie hinter einem die Baumwipfel schwingen. Bremsen und Lenken lässt nebenbei erledigen, so banal ist die Bewegung im Rahmen der StVO.
Das ist glücklicherweise so ein Porsche-GT-RS-Ding: Wer die Möglichkeiten des GT4 ausloten möchte, der kann den Begriff Straßenverkehr einfach durch Rennstrecke ersetzen. Dafür muss man nach Büroschluss auch keinen Umweg fahren: Sechspunkt-Gurte zu, Helm auf die Birne und den Wochenfrust beim Trackday in den Asphalt einfräsen. Kein Reifenwechsel, kein Bremse tauschen, keine baulichen Veränderungen - der GT4 RS hält das aus, er will es, und bevor da irgendein Bauteil schwächelt, rutscht man vor Erschöpfung selbst aus dem Sessel. Falls man die Fuhre dabei nicht in die Leitschiene montiert, kommt man sogar heim ohne Anhänger und Zugfahrzeug.
Zwischen Bremspunkt, Einlenkpunkt, Scheitelpunkt und Kurvenausgang findet man mit dem GT4 RS Glückseligkeit.
Wo sich die Spreu vom Weizen trennt
Die Vielseitigkeit des GT4 RS dürfte Porsche als Gewähr interpretieren, um bei den Optionspreisen ein bisschen aufzureiben. Wer das Weissach-Paket mit Titankäfig und viel Carbon mitbestellt, lässt umgehend 22.000 Euro liegen. Das ist sogar in Zuffenhausener Kreisen ein Vorwarnung wert, wie wir finden. Die Porsche Ceramic Composite Brake wäre selbstverständlich extra zu bezahlen – 11.000 Euro –, und will man den ungefederten Massen mit Magnesium-Schmiederädern weiter zu Leibe rücken, werden nochmals – festhalten – 20.000 Euro fällig. Darum geht sich auch ein schneidiger Kompaktwagen aus.
Nichts für Erbsenzähler: Die Ceramic Composite Brake.
Aus den 200.000 österreichischen Basiseuros hat man mit drei Klicks 250.000 konfiguriert, woran Porsche aber nur eine Teilschuld hält, weil 60.000 Euro als NoVA an den Fiskus wandern. Der findige Steueroptimierer weiß das zu... optimieren - trotzdem viel Schotter für den kleinen 718er, und bei der Gelegenheit reiben wir ihm noch seinen kahlen Innenraum rein. Aus der Armaturenlandschaft staubt’s raus, wenn man als Vergleich den Neunelfer bemüht, und statt Touchmittelkonsole gibt’s hier noch Schalter und Tasten. Es ist nicht mehr trendy, sich überall gleich zurechtzufinden.
Doch auch das ist wenn nicht geschätzt zumindest egal, denn der Habenseite bleibt ein Totschlagargument: So ein 718er wird nie wieder gebaut. Mit frei atmendem Vierliter-Sechszylinder-Sauger, mit Ansaugtrichtern, die direkt neben dem Kopf einatmen, mit 1.400 Kilogramm Leergewicht, ohne Elektromotoren oder 300-Kilo-Batterie. Ein Auto, in dem man nur zur Freude quer durchs Getriebe repetiert, weil die Schaltvorgänge so unmittelbar und laut passieren. Oder draufbleibt vom Leerlauf bis in den Begrenzer, um auch alle Tonlagen sicher einmal durchzuhaben.
Ein Fuhrwerk aus längst vergangenen Tagen? Vielleicht. Einer der letzten, echten Sportwagen? Bestimmt. Man kann den GT4 RS aber auch optimistisch sehen: Als Vorboten einer Zukunft, in der man sich wieder schamlos an mechanischer Brutalität erfreut, weil sie in ihrem Aufkommen dann so selten ist, dass sich das Verwerflich-sein ganz von selbst überholt. Oder zumindest die Verhandlung gewinnt gegen Billigflieger und Billigfleisch.
Porsche 718 GT4 RS
Preis: Ab 200.449,87 Euro brutto
Bestellbar: Ab sofort (Konfigurator)
Motor: B6-Saugmotor | 3.996 ccm | 368 kW/500 PS
0-100 km/h: 3,4 sek.
Vmax: 315 km/h
Leergewicht: Ab 1.415 kg
Kofferraum: unerheblich (125 Liter vorne/136 Liter hinten)
Länge/Breite o.S./Höhe: 4.456/1.822/1.267 mm
Verbrauch (WLTP): 12,3 Liter/100 km
CO2 (WLTP): 281 g/km
Ganz schnell: Der Porsche 718 GT4 RS ist eine handlichere, kompaktere, auch ein bisschen, wenngleich nicht viel günstigere Variante des Porsche 911 GT3. Dort hat sich der GT4 RS auch seinen Vierliter-Sechszylinder-Boxermotor geborgt, samt strammem Drehzahllimit von 9.000 Umdrehungen. Ein Auto für Puristen und Soundfanatiker, das mit Bedacht durch die Nachbarschaft gerollt werden sollte.
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