Toyota Mirai im Test: Wasserstoff-Autos an die Macht?
Einen großen Vorteil hat der wasserstoff-elektrische Toyota Mirai seinen batteriebetriebenen Pendants gegenüber: Er tankt deutlich schneller. Allerdings sind die Energiepreise explodiert und das Ladenetz dürftig – mit gerade einmal fünf Tankstellen in Österreich. Was also ist von dem Gas noch zu erwarten?
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder
Wer meint, es gäbe zu wenige Elektroauto-Ladestationen, dem sei folgende Zahl ans Herz gelegt: Fünf. Fünf Wasserstofftankstellen gibt es in Österreich – also insgesamt, landesweit, tutti completti. Eine steht in Wien, eine in Wiener Neudorf, eine in Graz, eine in Asten in Oberösterreich und eine in Innsbruck. Als Klagenfurter schnell mal tanken fahren? Dafür muss man zumindest noch 140 Kilometer Reichweite im Kessel haben, oder anders gesagt: über 20 Prozent der 650 Kilometer-WLTP-Reichweite des von uns getesteten Toyota Mirai. Im echten Leben hebt man sich besser 30 Prozent auf.
Die zweite, ebenfalls nicht so gute Nachricht: Die Wasserstoffpreise sind in Österreich explodiert. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet derzeit (Stand November 2023) gute 24 Euro pro Kilogramm, und mit einem Kilogramm kommt der Mirai keine 100 Kilometer weit. Für diese Distanz haben wir in unserem Test etwa 1,2 Kilogramm H2 in der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, was Kosten von rund 29 Euro entspricht. Dazu kommt ein ähnlich wie bei Elektroautos gesalzener Anschaffungspreis, der sich im Falle des Mirai auf zumindest 65.900 Euro summiert. Immerhin: Dafür bekommt man eine 4,98 Meter lange, 1,89 Meter breite und 1,48 Meter hohe, durchaus luxuriös anmutende Limousine mit Seltenheitswert, die obendrein auch ordentlich fährt.
Der Toyota Mirai ist dem Elektroauto in allen Fahraspekten ebenbürtig, in Sachen Tanken sogar haushoch überlegen. Wäre da nicht die Thematik Infrastruktur.
Die dritte Challenge: Die Wasserstoffproduktion ist energieaufwendig. Nur bei Verwendung erneuerbarer Energien darf sie sich grün und damit als CO2-schonend bezeichnen. Grauer Wasserstoff hingegen, der hauptsächlich mittels Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird, hängt deinem Auto schneller einen Emissionstascherl um als du CO2 sagen kannst.
Der Toyota Mirai, oder das fahrende Einhorn
Wenig überraschend also, dass Wasserstoffautos in Österreich eine Randerscheinung sind. Eine für Überzeugungstäter, oder für die, die es ernst meinen mit dem oben erwähnten Seltenheitswert. Laut Statistik Austria sind hierzulande gerade einmal 62 wasserstoffbetriebene Vehikel zugelassen. Nicht werden pro Jahr, sondern sind insgesamt, im Fahrzeugbestand. Anders sieht die Sache etwa in Deutschland aus: Dort ist grüner Wasserstoff deutlich günstiger (derzeit etwa 11 Euro pro Kilogramm) und die Netzabdeckung mit 87 Tankstellen zwar nicht gut, zumindest aber in absoluten Zahlen besser.
Trotzdem. Tunnelt man den Blick auf den PKW, muss man sagen: Auch, wenn der Mirai souverän fährt, gut ausgestattet und fesch anzusehen ist, Volumenspotenzial steckt in den wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen derzeit wenig. Mit ein Faktor ist, dass Industrie und Behörden sich der batterieelektrischen Mobilität als CO2-Bremse verschrieben haben – aus verschiedenen Gründen. Das Stromnetz ist ausgebaut und die Errichtung der Ladeinfrastruktur bereits vorangeschritten. Außerdem ist die Energieeffizienz von Elektroautos mit etwa 70 Prozent wesentlich besser als jene von Wasserstoff-Fahrzeugen mit etwa 20 Prozent. Das bedeutet: Von 50 kWh zur Verfügung gestellter Energie kann das E-Auto 35 kWh für seinen Antrieb nutzen, während das Wasserstoff-Auto nur 10 kWh an die Räder bekommt. Und last but not least: Die langfristige Perspektive. Werden Elektroautos beispielsweise mit bidirektionaler Ladetechnologie ausgerüstet, haben sie das Potenzial, dem Stromnetz als großvolumiger Speicher zu dienen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Batterien der Fahrzeuge können dann nicht nur Energie aufnehmen, sondern auch wieder an das Netz oder das Eigenheim zurückgeben, was speziell im Hinblick auf erneuerbare Energien von entscheidendem Vorteil ist. Man spricht dabei auch von Vehicle-to-Grid (V2G), Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Everything (V2X).
Links: Fuel Cell heißt Brennstoffzelle, und die ist für die Umwandlung von Wasserstoff in Strom verantwortlich. Rechts: Der Einfüllstutzen für das H2-Gas.
Potenzial speziell für größere Transportmittel
Ist das Thema Wasserstoff damit vom Tisch? Nein. Weitet man nämlich seinen Blick und schielt hinüber zum Schwerlast-, Schiffs- oder Flugverkehr, dann findet man durchaus vielversprechende Anwendungsszenarien. Mit viel Platz in den Tanks kann viel Wasserstoff gespeichert werden, woraus sich hohe CO2-arme Reichweiten ergeben. Zudem sind zwar die Wasserstofftanks schwer, aber deren Füllung leicht, was bei größeren Mengen entsprechende Gewichtsvorteile bietet. Würde man ein Langstreckenflugzeug beispielsweise mit Batterien auskleiden, würde man den Vogel wohl nicht einmal in die Luft bekommen. Und weil man mit Airbus und Containerschiff nicht schnell zur Tankstelle einbiegt, ist auch das flächendeckende Nachfüllnetz nicht nötig.
Sag niemals nie
Sollten sich - wider derzeitigem Erwarten - auch für den PKW die Vorzeichen ändern, sprich Wasserstoff günstig, die Herstellung einfacher und die Netzabdeckung besser werden, gibt es nichts gegen seinen Einsatz im PKW einzuwenden. Im Gegenteil: Die schnellere Betankungszeit, der geringere Bedarf an Rohstoffen wie seltener Erden und die Möglichkeit, auch Verbrennungsmotoren mit dem Gas zu betreiben, sind ernstzunehmende Argumente pro H2. Und um abschließend zurück auf unseren Mirai zu kommen: Im Fahrbetrieb wohnen ihm all jene positiven Aspekte inne, die auch das Elektroauto zieren. Lautloses Fahren, spontane Leistungsentfaltung, geringere Wartungs- und Erhaltungskosten, und so weiter, und so fort. An die Realreichweite von gut 500 Kilometern bei etwa fünf Minuten Betankungszeit kommt außerdem kein batterieelektrisches Fahrzeug heran, und gerade aus dieser Richtung bläst dem E-Auto der stärkste Wind entgegen.
Toyota Mirai Wasserstoff: Technische Daten, Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch
Testwagenpreis: € 76.280 brutto (Basispreis Toyota Mirai: € 65.990 - E-Auto förderfähig)
Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)
Maximale Leistung: 134 kW/182 PS
Drehmoment: 300 Nm
0-100 km/h: 9,0 sek.
Vmax: 175 km/h
Leergewicht: 1.900 - 1.950 kg
Kofferraum: 321 Liter
Länge/Breite o.S./Höhe: 4.975/1.885/1.480 mm
Tankinhalt: 5 kg
Verbrauch (WLTP): 0,79 - 0,89 kg/100 km
Reichweite (WLTP): 650 km
Ganz schnell: Mit Toyota Mirai haben die Japaner eines der wenigen Fahrzeuge mit Brennstoffzelle auf dem österreichischen Markt im Programm. Im Test überzeugt der Toyota Mirai mit allen positiven Fahraspekten, die auch für das Elektroauto Gültigkeit haben: Lautloser Fahrbetrieb, hoher Komfort, spontane Leistungsentfaltung und geringere Wartungs- und Erhaltungskosten. Beim Tanken ist der Mirai sogar deutlich schneller als Elektroautos: Er braucht dafür nur rund 5 Minuten. Dem entgegen steht das kaum ausgebaute Wasserstoff-Tankstellennetz mit gerade einmal 5 Tankstellen in Österreich. Auch der Preis ist nicht günstig, mit 65.990 Euro Basispreis.
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