Volvo EX30 Ultra 2024 Test: Maximinimal
Kein Tachodisplay hinter dem Lenkrad, keine Lautsprecher in den Türen, keine Tasten in der ganzen Kabine. Der Volvo EX30 lebt das skandinavisch Minimalistische – mit vielen Vor- und wenigen Nachteilen. An der Ampel zieht er sogar Neunelfer ab.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Volvo
Die Reduktion auf das Wesentliche, oder über das Wesentliche hinaus? Das ist die allererste Frage, die der Volvo EX30 seinen Fahrern aufdrängt. Außer den Türgriffen findet man innen nur zwei echte Tasten – den Fensterheber links und den Fensterheber rechts. Alles andere ist in dem hübschen Bildschirm versteckt. Auch auf ein Tachodisplay verzichtet der EX30, die Geschwindigkeit wird links oben auf dem Infotainmentdisplay angezeigt. Und: Statt in den Türen ist eine zentrale Soundbar unter der Frontscheibe verbaut, die nicht den Klang, aber wie das bereits Genannte den Kabelsalat schmälert. Die Absicht dahinter ist CO2-Redukation, sagt Volvo, die umweltschonendsten Bauteile wären jene, die nicht eingebaut würden. Wahrscheinlich geht es auch ein bisschen ums Geld: Der EX30 ist ab 36.950 Euro zu haben, das ist um Längen günstiger als jedes vergleichbare Premium-Fabrikat. Dafür müssen die Produktionskosten niedrig gehalten werden.
Minimalismus mit aller Konsequenz
Dass das Rezept Minimalismus funktioniert, zeigt Tesla seit vielen Jahren. Das Model Y zum Beispiel geht weg wie warme Semmeln, Tacho und Tasten braucht es dafür nicht. Selbiges gilt für das Tesla Model 3. Volvo hat dieses Rezept übernommen, glücklicherweise aber nicht das Design: Der Innenraum des EX30 ist hübsch anzusehen, der Musk’sche eine lieblose Plastikwüste. Und trotzdem bleibt die Frage, ob das function follows form Prinzip für Autos wirklich taugt.
Soviel vorneweg: Ohne Einarbeitung wird man an den vielen Möglichkeiten scheitern. Zwar sind die wichtigsten Funktionen gleich auf dem Home-Bildschirm präsent, an deren Funktionsweise muss man sich aber gewöhnen. So sind zum Beispiel die Außenspiegel über den Bildschirm und die Lenkradtasten einzustellen, was neben Fingerspitzengefühl auch etwas Geduld erfordert. Ebenso ist die im unmittelbaren Blickfeld fehlende Geschwindigkeitsanzeige für alle außer Tesla-Fahrer neu, entgegen unserer Annahme aber kein ernsthaftes Übel. Nach einigen Tagen hat man den (Kopf-)Dreh heraus - eifrige Tempomatfahrer schauen sowieso kaum auf den Tacho. Dass sich ein Head Up Display nicht einmal in der Optionsliste findet, können wir trotzdem nicht nachvollziehen.
Bedienung: Gut, aber mit Luft nach oben
Dass nicht alles in letzter Konsequenz zu Ende gedacht wurde, lässt sich mit einem weiteren Beispiel untermauern: Die Seitenspiegel-Einstellung wäre grundsätzlich eine einmalige Sache – so oft wechselt der Fahrer eines Autos ja nicht. Allerdings fehlt dem EX30 eine Bordstein-Funktion (das automatische Absenken der Außenspiegel im Rückwärtsgang), was uns vor jedem Längsparken in das Untermenü zwang. Das gelingt bei eingelegtem Rückwärtsgang aber nicht, also nochmals in die Park-Stellung, dann Spiegel einstellen, dann parken, dann Spiegel wieder hoch - irgendwie glaubt man, man hätte das Autofahren verlernt. Wer sich traut, der kann sich natürlich nur auf die 360-Grad Kamera verlassen. Uns wär’s zu schade um die schönen 20-Zoll Felgen gewesen.
Auch, dass der EX30 keine Fahrmodi (Eco, Komfort, Sport etc.) auswählen lässt, fanden wir nicht optimal, weil er auf den initialen Fahrpedalbefehl für unser Empfinden recht hantig reagiert. Weniger aus dem Stand als aus dem Rollen heraus – hier spürt man schon bei minimaler Fußstellung einen wahrnehmbaren Ruck, was sich anfühlt, als würde man ganz leicht beim Schaukeln angetaucht. Und: Die Rekuperation lässt sich nur in zwei Stufen verstellen, man hat die Wahl zwischen sanftem Rekuperieren oder One Pedal Drive. Einen Gleitmodus sucht man dagegen vergebens.
Design, Serienausstattung, Fahrleistungen und Preis: Hier spielt der EX30 seine Stärken aus
Damit sind Groschen genug aufgeklaubt – widmen wir uns jetzt den schöneren Dingen. Da wäre zuallererst das Design. Der EX30 zeigt sich außen wie innen von der Schokoladenseite – für uns zählt er zu den hübschesten Klein-SUVs überhaupt. Im Innenraum setzt Volvo vorbildlich auf lederfreie und recycelte Materialien, die etwa aus PET-Falschen oder biologisch angebauten Rohstoffen aus schwedischen und finnischen Wäldern stammen. Zweitens: Die Serienausstattung ist schon in der Basisvariante Core gewaltig. Dazu zählen etwa das 12,3 Zoll Google-Infotainment mit etlichen Apps, ein vollständiges Assistentenmenü mit einem adaptiven Tempomaten, einem Kreuzungsassistenten und einer Verkehrszeichenerkennung, oder die 5G-Internetverbindung inklusive Updates over the Air. Ebenfalls immer an Bord des EX30: Der 200 kW oder 272 PS leistende Elektromotor mit Hinterradantrieb, der das kleine SUV in 5,7 Sekunden auf Hundert beamt. Zur Erinnerung: Dafür werden laut Liste 36.950 Euro fällig – Förderungen und Rabatte noch nicht abgezogen.
Wer statt der standardmäßigen 337 Kilometer WLTP-Reichweite lieber 475 Kilometer lang fährt, der ordert die Extended Range Variante für zusätzliche 5.000 Euro. Ab der zweithöchsten Ausstattungsvariante Plus (ab 38.890 Euro) lässt sich außerdem der bärenstarke Twin Motor Performance Antrieb wählen, der den EX30 mit seinen 315 kW oder 428 PS in eigentlich unfassbaren 3,6 Sekunden auf Tempo Landstraße schießt. Das ist schneller als ein neuer Porsche 911 Carrera S. In der höchsten Ultra-Variante (ab 48.830 Euro) ist die große Batterie serienmäßig an Bord, ebenso wie eine 360 Grad Kamera, ein Panoramadach und hübsche 19-Zoll Felgen. Für Freunde des ambitionierten Vorankommens: Der Twin Motor Performance Antrieb kostet hier nur 2.640 Euro extra.
Im Fahrbetrieb glänzt der EX30 neben ordentlichen Beschleunigungswerten mit auffallend vielen dynamischen Qualitäten. Das kleine SUV klebt förmlich auf der Straße, das Fahrwerk federt satt aber trotzdem komfortabel. Nur für die Lenkung hätten wir uns etwas präziseres Feedback gewünscht. Einen großen Einfluss auf die tolle Fahrcharakteristik hat das Gewicht. Oder besser gesagt: Das hat es eben nicht. Mit einem Leergewicht von 1.850 Kilogramm zählt der EX30 zu den leichteren Vertretern des Elektroauto-Fachs, die Mitbewerber liegen fast alle über diesem Wert.
Reichweite und Ladegeschwindigkeit: Auf der Höhe der Zeit
Dass es den Überdrüber-Motor nicht braucht, liegt für uns auf der Hand: Der EX30 fährt mit seinen 272 PS völlig ausreichend dynamisch, mehr Leistung ist nur netter Vorzeigeeffekt. Die Extended Range Variante mit Single Motor wäre die unserer Wahl – auch weil sie in Sachen Verbrauch ein Vorzeigeschüler ist. Von den 475 WLTP-Kilometern sind uns immerhin 400 echte geblieben - damit lässt sich im Mixbetrieb durchaus kalkulieren. Und selbst wenn man öfters Autobahn fährt: An der Schnellladestation wird mit bis zu 153 kW nachgeladen, das heißt 10 auf 80 Prozent in 26 Minuten.
Innenraum und Abmessungen: Viel Platz auf bescheidener Länge
Dass der EX30 ein City-SUV ist, merkt man nur auf den hinteren Plätzen. Fahrer und Beifahrer freuen sich über ein tolles Raumgefühl, das ist den kurzen Überhängen geschuldet. Auf den Rücksitzen sinkt man dagegen zu tief in die Bank, große Passagiere müssen die Beine anwinkeln. Ansonsten ist der Innenraum des EX30 aber eine Wohlfühlzone par excellence, die vor allem jene Überzeugt, die Schlichtheit mögen. Ebenfalls in Ordnung: Der Kofferraum fasst zwischen 318 und 904 Liter - ein Rennrad bekommt man bei umgelegten Rücksitzen problemlos hinein.
Unser Testbericht-Fazit zum Volvo EX30
Zusammengefasst lässt sich also Folgendes sagen: Volvo ist mit dem EX30 grundsätzlich ein großer Wurf gelungen. Verarbeitung, Materialauswahl, Ambiente an Bord, Fahrdynamik, Ladegeschwindigkeit – hier kann der kleine Schweden-SUV punkten. Dass dafür verhältnismäßig wenig Geld über den Händlertisch wandert, ist die Kirsche auf der Torte. Die Abwesenheit sämtlicher Schalter ist dagegen gewöhnungsbedürftig, und bei den erwähnten Details bleibt Raum für Nachbesserung. Einige davon könnten Over the Air in den EX30 finden (eine Bordstein-Automatik für die Spiegel und ein Segelmodus zum Beispiel), für andere (Stichwort Head Up Display) muss man wohl auf die Modellauffrischung warten.
Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra (2024): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite
Testwagenpreis: € 50.510,40 brutto (Basispreis Volvo EX30 Single Motor Standard Range Core: € 36.950,00)
Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)
Maximale Leistung: 200 kW / 272 PS
Drehmoment: 343 Nm
0-100 km/h: 5,3 sek. (Extended Range Variante)
Vmax: 180 km/h
Leergewicht: 1.850 kg
Kofferraum: 318 - 904 Liter
Abmessungen Länge/Breite o.S./Höhe: 4.233/1.838/1.550 mm
Batteriekapazität: 69 kWh (Extended Range)
Verbrauch (WLTP): 17,0 kWh/100 km (getestete Version)
Reichweite (WLTP): 475 km (getestete Version)
Ladezeiten: 11 kW AC (0-100%: ca. 7h00) | 153 kW DC (10-80%: ca. 26 min.)
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